Als Napoleons Truppen vor 200 Jahren durch die Region zogen

... von Giesela Schladerbusch

In der "Kreiszeitung Syke" erscheinen seit Ostern 2012 im "Sonntagstipp" unter der Rubrik "Damals & heute" Artikel mit dem Titel"Als Napoleons Truppen vor 200 Jahren durch die Region zogen",die der Redakteur Herr Heinrich Kracke nach verschiedenen Quellen u.a."Die Tagebuchaufzeichnungen des Bassumer Stammvaters Wilhelm Nöldeke (1772-1850)- Bassum zurzeit der Französischen Gewaltherrschaft", ausgearbeitet hat.

Gisela Schladerbusch hat diese "Tagebuchaufzeichnungen" einem guten Bekannten, Herrn Reinhard Hollborn aus Stuhr bei Bremen gesendet, der auf die Idee kam, dass diese Aufzeichnungen doch wert wären in die Zeitung gesetzt zu werden, da es sich genau um diese Region handelt und die Ereignisse genau vor 200 Jahren stattfanden. Herr Kracke war sehr angetan von den so anschaulich geschilderten Zuständen in der damaligen Zeit.Er hat dann in Archiven nach weiteren Quellen geforscht und diese hinzugezogen.Auch hat er die Artikel mit alten und neuen Fotos anschaulich dargestellt. Herr Hollborn hat sie gescannt und Gisela gesendet und Jan Karow hat sie so bearbeitet, dass sie auf die Homepage gestellt werden können."

"Mit 14 zum Verrat gezwungen" - Napoleon 12. Teil - vom 30.06/01.07.2012

BASSUM (kra). Flüchtende französische Soldaten, dazu immer neue Rekrutierungen von jungen Leuten, die Napoleons Armee verstärken sollten und schließlich die französischen Lazarette, die von Bremen nach Osnabrück verlegt wurden – ein ungeheure Last lag auf den Dörfern an der neu geschaffenen Heerstraße, auf den Orten an heutigen B 51. "Es wurde an Leuten zusammengerafft, was nur die Muskete tragen konnte," schrieb der Bassumer Pastorensohn Georg Barkhausen in seinen Erinnerungen über das Befreiungsjahr 1813. "Sogar ein etwas Blödsinniger war bei unserem Nachbarn einquartiert. Er lächelte immer, und ich sah sogar, wie man ihm die Uniform zuknöpfen musste."

Die Offiziere gaben ein ähnliches Bild ab. "Unter ihnen befanden sich viele, die am Arm verkürzt waren, und die schon außer Diensten standen und wieder eingetreten waren. Einige Cohorten setzten sich aus Invaliden unterschiedlicher Garden zusammen, wie ihre unterschiedlichen Uniformen verrieten. Darunter auch zwei Capitaine, von denen der eine 100 Jahre alt gewesen sein dürfte. Die französische Armee bestand fast ganz aus Infantrie und aus unberittener Kavallerie, die ihre Pferde erst noch gestellt bekommen sollten."

Napoleons Armee habe vor allem den Transport großer Mengen Materials geschützt. Besonders Kanonenkugeln waren es, die durch beschlagnahmte Wagen von Bremen aus in Richtung Südwesten bewegt wurden. Die Orte an der Heerstraße mussten oft hunderte und mehr solcher Wagen zur Verfügung stellen und den Transport unter "Armeeschutz" bewerkstelligen. Logisch, dass es oft genug an Wagen fehlte.

Barkhausen selbst geriet in die Bedrouille, in französische Dienste gestellt zu werden. Er, der just mal 14 Jahre alt war, schrieb: "Der Führer einer solchen Escorte, des Wartens auf Pferde müde, beschloss, im Orte Haussuchung zu halten und zu nehmen was da war. In dieser Absicht drang der alte Wachtmeister, sechs Kürassiere hinter sich, in unser Haus und befahl mir, ihn zu den Häusern Bassums zu führen, in denen es Pferd und Wagen gäbe. Ich wurde vorangeschoben und musste gehorchen. Mit den Soldaten machte ich mich auf einen Weg längs des Baches, über den ich im schlimmsten Falle hätte springen können, ohne dass mir die schweren Kürassiere mit ihren großen Stiefeln folgen konnten.

Unterwegs machte ich den Wachtmeister darauf aufmerksam wie gefährlich dieser Verrat, wenn auch erzwungene Verrat an den Einwohnern, für mich sein könnte. Dafür versprach er mir eine Belobigung durch den Präfekten, was mir freilich nichts nutzte. Während ich mich unablässig nach einer passenden Stelle zur Flucht umsah, erschallte dann doch der Ruf, dass die beschlagnahmten Wagen da seien. Wer war glücklicher, als ich?"

Doch auch mit dem Abtransport des Kriegsmaterials hatten es die Bassumer noch nicht geschafft. Denn jetzt zogen die Verwundeten durch, jene, die in Bremen in Hospitälern lagen, und jetzt nach Osnabrück verlegt wurden. "In den Bremer Hospitälern herrschte der höchst ansteckende Kriegstyphus mit Schauder erregender Verderblichkeit. Wer gehen konnte, der flüchtete. Von diesen Hospitalflüchtlingen kam einmal an einem kalten Herbsttag des Jahres 1813 ein großer Trupp in Bassum an und es quartierten sich in unserem Hause soviele davon ein, dass es fast aus allen Nähten platzte. Durch den Marsch, durch Hunger und Kälte erschöpft, drängten sie sich in alle unsere Wohn- und Schlafzimmer und warfen sich auf den Fußboden so dicht aneinander, das manche aufeinander gelegen haben mögen.

Meine gutherzige Mutter fing sogleich an, große Kessel voll Kartoffelsuppe mit Hafergrütze zu kochen, und nachdem sich die armen Menschen daran gesättigt hatten, schlossen sie sämtliche Türen. Als ich diese am anderen Morgen öffnete, schlug mir, der ich nicht leicht vor solchen Eindrücken weglief, ein solcher Dunst entgegen, dass ich zurückprallte.

Meine Mutter, stets bereit, für andere Opfer zu bringen, hatte die ganze Nacht hindurch Hafergrützsuppe gekocht. Damit gesättigt verließen uns die Flüchtlinge am nächsten Morgen. Die Zimmer wurden nun geschrubbt und gescheuert und tagelang gelüftet. Aber es half nichts: der widerwärtige Geruch hielt sich wochenlang darin. Besonders an den Wänden. Sie hätten geweißt werden müssen, aber wer dachte daran in dieser Zeit. Als Arzt habe ich später erkannt, wie knapp wir der Katastrophe entronnen waren. Denn es war ja ein halbes Wunder, dass keiner von uns den Typhus bekam."



Unterschrift unter dem großen Foto: ENTLANG des Baches schritt der junge Georg Barkhausen, immer in der Hoffnung, doch noch vor den französischen Soldaten fliehen zu können. Hier ein Foto, das vor knapp 100 Jahren aufgenommen wurde.

Kleines Foto: DER BACH ist in den 30-er Jahren verlegt worden, die Brückewurde entfernt.

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