Als Napoleons Truppen vor 200 Jahren durch die Region zogen
... von Giesela Schladerbusch
In der "Kreiszeitung Syke" erscheinen seit Ostern 2012 im "Sonntagstipp" unter
der Rubrik "Damals & heute" Artikel mit dem Titel"Als Napoleons Truppen vor
200 Jahren durch die Region zogen",die der Redakteur Herr Heinrich Kracke
nach verschiedenen Quellen u.a."Die Tagebuchaufzeichnungen des Bassumer
Stammvaters Wilhelm Nöldeke (1772-1850)- Bassum zurzeit der Französischen
Gewaltherrschaft", ausgearbeitet hat.
Gisela Schladerbusch hat diese "Tagebuchaufzeichnungen" einem guten Bekannten, Herrn Reinhard Hollborn aus Stuhr bei Bremen gesendet, der auf die Idee kam, dass diese Aufzeichnungen doch wert wären in die Zeitung gesetzt zu werden, da es sich genau um diese Region handelt und die Ereignisse genau vor 200 Jahren stattfanden. Herr Kracke war sehr angetan von den so anschaulich geschilderten Zuständen in der damaligen Zeit.Er hat dann in Archiven nach weiteren Quellen geforscht und diese hinzugezogen.Auch hat er die Artikel mit alten und neuen Fotos anschaulich dargestellt. Herr Hollborn hat sie gescannt und Gisela gesendet und Jan Karow hat sie so bearbeitet, dass sie auf die Homepage gestellt werden können."
Der Kirche und deren Pastoren war dabei eine wichtige Rolle zugekommen. Sie führte die Kirchenbücher, und daraus ließ sich Alter und Anzahl der Einwohner ableiten. Eine wichtige Information bei der Suche nach jungen Männern für die Armee Napoleons, bei der Suche nach "Gestellungspflichtigen". "Binnen 24 Stunden soll ich eine Liste aller Gestellungspflichtigen anfertigen," schreibt Nöldeke. Er kommt zu dem Schluss: "Geht nicht."
Dass sich die Zeiten irgendwann ändern könnten, glaubte kaum noch jemand. Bassum und die ganze Region würde wohl französisch bleiben. Immer mehr Menschen übten sich in der neuen Sprache. "Nicht bloß die Schullehrer, sondern auch die Bauernsöhne bekamen Unterricht," schreibt Nöldeke. Er selbst machte sich, wie er schreibt, durch Erteilung des Unterrichts ums Vaterland verdient.
Wenn Truppen durchzogen, pflegte es tumultartig zuzugehen. "162 Pferde in Bassum, Pontons, Rammen, Schmiede, Sturmleitern und so weiter," notierte Nöldeke in atemlosen Worten. "Neue Einquartierung von Sulingen kommend," hieß es in einem nächsten Eintrag. "500 und mehr in Bassum, ebensoviel in den Dörfern vorwärts." Kurz darauf kam der Küster Petri zum Pastor Nöldeke gerannt. Die Betglocken läuteten, und tatsächlich kündigte sich ein weiteres Unheil an. "400 Gefangene sollten untergebracht werden, 200 davon in Bassum." Als "Gefängnis" hatten die französischen Unterdrücker das Gotteshaus ausgewählt. Am Tag danach bot die Kirche ein schreckliches Bild.
Wer sich der Einberufung in die französische Armee entzog, dem ging es schlecht. Und wurde man seiner nicht habhaft, so litt die Familie. "Die Eltern werden gequält, nicht etwa, weil sie wussten, wo sich der Sohn aufhalte, sondern weil auf diese Weise der Sohn, der die Bedrängnis der Eltern kennen musste, zur Rückkehr zu bewegen sei," schreibt Nöldeke. "Oft gab es herzzerreißende Szenen, denn oft wollten die Eltern sich lieber ruinieren lassen, als ihre Söhne in Napoleons Diensten zu wissen."
"Refrektäre" wurden die jungen Männer genannt. Darunter auch der Refrektär Albers aus Eschenhausen, der sich lange verborgen gehalten hatte und sich nun stellen wollte. Er wandte sich an Pastor Nöldeke mit der Bitte, ihm zu helfen. Gemeinsam reisten sie nach Bremen zur zuständigen Präfektur. Ein zuständiger Divisions-Sekretär machte den beiden wenig Hoffnung. Albers sei bereits verurteilt, man werde ihn mit 18 anderen, die schon im Gefängnis säßen, gefesselt in die Festung Wesel bringen und sie dann nach einigen Wochen einem Regiment zuteilen. Klartext: sie waren als Kanonenfutter vorgesehen. Vater Albers habe zudem die Strafe von 500 Franc zu zahlen.
Nöldeke hielt den Ausführungen entgegen, "dass unsere Leute bisher nichts von Militärpflicht gewusst hätten." Die Regierung habe die Sache nicht energisch betrieben, die französischen Gesetze seien nicht hinreichend bekannt.
Auch Albers antwortete clever. Wo er die zurückliegenden Wochen gewesen? Hier und dort. Wovon er gelebt? Von seinem Geld. Woher das Geld? Verdient. Und tatsächlich. Albers wurde begnadigt, auch die Eltern wurden begnadigt. Ihm standen Freudentränen in den Augen, hieß es. Von der Militärpflicht wurde der junge Mann natürlich nicht entbunden. Er kam in das 127. Regiment, das als "normale" Kampftruppe galt. Gut möglich sogar, dass Albers den Russlandfeldzug überlebt hat. In den Aufzeichnungen der Uslarer Ahnenforscherin Gisela Schladerbusch, deren Urururgroßvater Nöldeke war, sind eine Reihe von jungen Menschen aus dem Raum Bassum aufgeführt, die den Tod unter Napoleon fanden, Albers gehört nicht dazu.
Das Bekanntwerden des Nöldekeschen Erfolges in Bremen veranlasste viele Flüchtlinge sich zu stellen und an den Bassumer Pastor zu wenden. Nach Bremen begleitete Nöldeke indes niemanden mehr, wohl auch, um sich nicht der Begünstigung der Fremdherrschaft auszusetzen, aber er empfahl die Unglücklichen seinen Bremer Freunden. Manches schwere Los wurde daraufhin gelindert.
EINE STRASSE im Wandel: Vor 200 Jahren lag hier noch der Stiftsgarten, ehe Napoleons Abgesandte den Vorläufer der heutigen B 51 schufen. Rechts auf dem kanpp hundert Jahre alten Bild die Stiftsmühle (Wassermühle).
Kleines Foto: DIE BREMER STRAßE in Bassum aus heutiger Sicht.
Gisela Schladerbusch hat diese "Tagebuchaufzeichnungen" einem guten Bekannten, Herrn Reinhard Hollborn aus Stuhr bei Bremen gesendet, der auf die Idee kam, dass diese Aufzeichnungen doch wert wären in die Zeitung gesetzt zu werden, da es sich genau um diese Region handelt und die Ereignisse genau vor 200 Jahren stattfanden. Herr Kracke war sehr angetan von den so anschaulich geschilderten Zuständen in der damaligen Zeit.Er hat dann in Archiven nach weiteren Quellen geforscht und diese hinzugezogen.Auch hat er die Artikel mit alten und neuen Fotos anschaulich dargestellt. Herr Hollborn hat sie gescannt und Gisela gesendet und Jan Karow hat sie so bearbeitet, dass sie auf die Homepage gestellt werden können."
Steuern auf Türen und Fenster - Napoleon 8. Teil - vom 02./03.06.2012
BASSUM (kra). Die Bürgermeister hieß längst "Maire", als sich die Situation zur Franzosenzeit vor genau 200 Jahren weiter zuspitzte. Im auslaufenden Jahr 1811 war es, als zunächst Steuerlisten an die Oberbehörden gesandt wurden. Da ging es um Grundsteuer, um Personen- und Mobilarssteuern, sogar um Tür- und Fenstersteuern. "An Abgaben fehlt es nicht," schrieb Pastor Wilhelm Nöldeke sarkastisch in sein Tagebuch. Jede Person, hieß es, habe allein 1,50 Franc an Fenstersteuer zu entrichten. Zudem verbreiteten durchziehende Truppen Angst und Schrecken, hohe Strafen warteten ferner auf junge Leute, die sich des Militärdienstes in der nach Russland ziehenden französischen Armee entzogen.Der Kirche und deren Pastoren war dabei eine wichtige Rolle zugekommen. Sie führte die Kirchenbücher, und daraus ließ sich Alter und Anzahl der Einwohner ableiten. Eine wichtige Information bei der Suche nach jungen Männern für die Armee Napoleons, bei der Suche nach "Gestellungspflichtigen". "Binnen 24 Stunden soll ich eine Liste aller Gestellungspflichtigen anfertigen," schreibt Nöldeke. Er kommt zu dem Schluss: "Geht nicht."
Dass sich die Zeiten irgendwann ändern könnten, glaubte kaum noch jemand. Bassum und die ganze Region würde wohl französisch bleiben. Immer mehr Menschen übten sich in der neuen Sprache. "Nicht bloß die Schullehrer, sondern auch die Bauernsöhne bekamen Unterricht," schreibt Nöldeke. Er selbst machte sich, wie er schreibt, durch Erteilung des Unterrichts ums Vaterland verdient.
Wenn Truppen durchzogen, pflegte es tumultartig zuzugehen. "162 Pferde in Bassum, Pontons, Rammen, Schmiede, Sturmleitern und so weiter," notierte Nöldeke in atemlosen Worten. "Neue Einquartierung von Sulingen kommend," hieß es in einem nächsten Eintrag. "500 und mehr in Bassum, ebensoviel in den Dörfern vorwärts." Kurz darauf kam der Küster Petri zum Pastor Nöldeke gerannt. Die Betglocken läuteten, und tatsächlich kündigte sich ein weiteres Unheil an. "400 Gefangene sollten untergebracht werden, 200 davon in Bassum." Als "Gefängnis" hatten die französischen Unterdrücker das Gotteshaus ausgewählt. Am Tag danach bot die Kirche ein schreckliches Bild.
Wer sich der Einberufung in die französische Armee entzog, dem ging es schlecht. Und wurde man seiner nicht habhaft, so litt die Familie. "Die Eltern werden gequält, nicht etwa, weil sie wussten, wo sich der Sohn aufhalte, sondern weil auf diese Weise der Sohn, der die Bedrängnis der Eltern kennen musste, zur Rückkehr zu bewegen sei," schreibt Nöldeke. "Oft gab es herzzerreißende Szenen, denn oft wollten die Eltern sich lieber ruinieren lassen, als ihre Söhne in Napoleons Diensten zu wissen."
"Refrektäre" wurden die jungen Männer genannt. Darunter auch der Refrektär Albers aus Eschenhausen, der sich lange verborgen gehalten hatte und sich nun stellen wollte. Er wandte sich an Pastor Nöldeke mit der Bitte, ihm zu helfen. Gemeinsam reisten sie nach Bremen zur zuständigen Präfektur. Ein zuständiger Divisions-Sekretär machte den beiden wenig Hoffnung. Albers sei bereits verurteilt, man werde ihn mit 18 anderen, die schon im Gefängnis säßen, gefesselt in die Festung Wesel bringen und sie dann nach einigen Wochen einem Regiment zuteilen. Klartext: sie waren als Kanonenfutter vorgesehen. Vater Albers habe zudem die Strafe von 500 Franc zu zahlen.
Nöldeke hielt den Ausführungen entgegen, "dass unsere Leute bisher nichts von Militärpflicht gewusst hätten." Die Regierung habe die Sache nicht energisch betrieben, die französischen Gesetze seien nicht hinreichend bekannt.
Auch Albers antwortete clever. Wo er die zurückliegenden Wochen gewesen? Hier und dort. Wovon er gelebt? Von seinem Geld. Woher das Geld? Verdient. Und tatsächlich. Albers wurde begnadigt, auch die Eltern wurden begnadigt. Ihm standen Freudentränen in den Augen, hieß es. Von der Militärpflicht wurde der junge Mann natürlich nicht entbunden. Er kam in das 127. Regiment, das als "normale" Kampftruppe galt. Gut möglich sogar, dass Albers den Russlandfeldzug überlebt hat. In den Aufzeichnungen der Uslarer Ahnenforscherin Gisela Schladerbusch, deren Urururgroßvater Nöldeke war, sind eine Reihe von jungen Menschen aus dem Raum Bassum aufgeführt, die den Tod unter Napoleon fanden, Albers gehört nicht dazu.
Das Bekanntwerden des Nöldekeschen Erfolges in Bremen veranlasste viele Flüchtlinge sich zu stellen und an den Bassumer Pastor zu wenden. Nach Bremen begleitete Nöldeke indes niemanden mehr, wohl auch, um sich nicht der Begünstigung der Fremdherrschaft auszusetzen, aber er empfahl die Unglücklichen seinen Bremer Freunden. Manches schwere Los wurde daraufhin gelindert.
EINE STRASSE im Wandel: Vor 200 Jahren lag hier noch der Stiftsgarten, ehe Napoleons Abgesandte den Vorläufer der heutigen B 51 schufen. Rechts auf dem kanpp hundert Jahre alten Bild die Stiftsmühle (Wassermühle).
Kleines Foto: DIE BREMER STRAßE in Bassum aus heutiger Sicht.